Ein Badezimmer ohne Barrieren
Das barrierefreie Badezimmer ist ein wichtiger Bestandteil selbstbestimmten Lebens. Das Thema kann irgendwann jedem begegnen – ob aus Fürsorge für Angehörige, als Vorsorge für eigene Bedürfnisse oder als Pflegekraft. Daher ist es gut zu wissen, auf was es bei der Gestaltung eines Badezimmers ohne Barrieren ankommt. Zudem sollte es aus dem Gesichtspunkt der Inklusion selbstverständlich sein, allen Menschen ein barrierefreies Leben zu ermöglichen, wo immer es geht.
Menschen mit Behinderungen und auch ältere Menschen werden in ihrem Alltag oft durch äußere Faktoren zusätzlich eingeschränkt. So sind viele Räume und Gebrauchsgegenstände durch ihre Beschaffenheit und Gestaltung nicht oder nur schlecht für sie zugänglich und nutzbar. Im Privatbereich ist es häufig das Badezimmer – der Symbolort für einen Verbleib in den eigenen vier Wänden – , das durch Einschränkungen und Hindernisse im wahrsten Sinne zum Stolperstein für ein selbstbestimmtes Leben werden kann. Da erschweren etwa bauliche Gegebenheiten wie zu enge Türöffnungen oder auch Stufen, rutschige Flächen und schwer bedienbare Sanitärprodukte sowie eine kontrastarme Gestaltung das Zurechtkommen im eigenen Zuhause. Um das zu vermeiden, ist das Reduzieren von Barrieren unbedingt notwendig.
„Im Bereich Wohnen ist der Begriff ‚Barrierefreiheit‘ zwingend verbunden mit der DIN 18040-2“, erklärt Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) in Bonn. „Unabhängig von den Vorschriften dieser Norm sind heute viele Sanitärprodukte und Einbaulösungen von professionellen Badplanern per se schon für eine generationenübergreifende Nutzung vorgesehen. Bodenebene Duschen sind hierfür ein besonderes Beispiel, denn sie bieten Komfort und Sicherheit für alle. Schließlich können allein schon ein Hexenschuss oder ein Gipsbein gewohnte Bewegungsabläufe stark beeinträchtigen.“
DIN18040-2: der Standard, an dem sich alles orientiert
Barrierefreie Badezimmer können dabei helfen, den selbstbestimmten Alltag von Menschen mit Beeinträchtigungen (länger) zu erhalten, indem die Räume an die Bedürfnisse dieser Menschen angepasst werden. Als Benchmark für Produktentwickler, als Baustandard und als Kriterium für Fördermöglichkeiten spielt die DIN 18040-2 eine zentrale Rolle. Sie definiert, welche Vorgaben barrierefreie Wohnungen erfüllen müssen und berücksichtigt dafür insbesondere die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung, Blindheit, Hörbehinderung oder motorischen Einschränkungen sowie von Personen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen.
Auch für andere Personengruppen wie beispielsweise groß- oder kleinwüchsige Personen, Personen mit kognitiven Einschränkungen, ältere Menschen oder Kinder führen einige Anforderungen dieser Norm zu einer Nutzungserleichterung. Dabei unterscheidet die Norm zwischen „barrierefrei nutzbaren Wohnungen“ und „barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen“. Für letztere werden die über den Mindeststandard hinausgehenden zusätzlichen Anforderungen in der Norm mit „R“ gekennzeichnet.
Lifestyle inklusive: Inklusion und Teilhabe fördern
Immer häufiger werden von Sanitärherstellern Produkte und Lösungen angeboten, die sich an der DIN orientieren. Mit Erfüllung dieser Norm unterstützen sie die Forderungen nach Inklusion und Teilhabe. Ob rutschhemmende Fliesen, Armaturen mit Verbrühschutz-Funktion, unterfahrbare Waschbecken, Dusch-Sitze, höhenverstellbare WCs, barrierefreie Duschen oder Halte- und Stützgriffe: Die gebotenen Badlösungen sind nicht nur rein funktional, sondern auch ein Zugewinn in puncto Komfort. Und manchmal sind sie auch ein Gewinn an Ästhetik.
Die Zeiten, in denen Badezimmer, vor allem wenn es sich um Pflegebäder handelte, zumeist reine Funktionsräume waren sind glücklicherweise vorbei. Weiß gekachelt, kühl, stigmatisierend und austauschbar war gestern. „Das Badezimmer darf und sollte heute zunehmend wohnlich sein, um das Wohlbefinden der Nutzer und Nutzerinnen zu unterstützen und im besten Fall sogar zu steigern. Dies gilt auch für barrierefreie Bäder im privaten und öffentlichen Bereich“, weist Wischmann auf den zeitgemäßen Lifestyle-Aspekt bei der Planung von Badezimmern hin. Wie das im barrierefreien Bad gehen kann und worauf zu achten ist, erläutert ein kleiner Überblick.
Armaturen: leichte Bedienung und Verbrühschutz
Neben dem WC und dem Waschbecken dürften Armaturen die meist genutzten Bestandteile eines Bades sein. Sicherheit und Qualität haben hier Priorität. Abgesehen davon, dass bei einer barrierefreien Gestaltung darauf geachtet werden sollte, dass Armaturen auch aus einer Sitzposition erreichbar sind, sollten sie hygienisch und einfach zu reinigen sein. Ihre Bedienung sollte intuitiv erfolgen können. Dabei sind Einhebelmischer und berührungslose Armaturen für Menschen mit Behinderungen die erste Wahl. Einhebelmischer ermöglichen es, den Wasserstrom einhändig oder auch mit dem Ellbogen zu regulieren. Ebenso ist auch die Wassertemperatur einfacher einzustellen. Noch leichter geht es mit sensorgesteuerten Armaturen, die vermehrt auch für den privaten Gebrauch angeboten werden. Diese starten den Wasserfluss automatisch, sobald der Sensor eine Bewegung bemerkt, und beenden ihn auch wieder selbstständig.
Ebenfalls eignen sich für die Nutzung auch gut Armaturen mit herausziehbarer beziehungsweise zusätzlicher mobiler Handbrause. Sie ermöglichen Menschen mit Behinderungen oder auch pflegenden Personen beispielsweise das Waschen der Haare am Waschbecken.
Eine wichtige und vorteilhafte Zusatzfunktion, die mittlerweile fast alle Armaturenhersteller anbieten, ist ein Verbrühschutz. Damit wird vermieden, sich bei der Nutzung durch zu heißes Wasser zu verletzen. Mit Thermostatarmaturen oder Thermostatbatterien lassen sich Sicherheit und Komfort verbinden. Sie machen individuelles Justieren und Probieren überflüssig, weil das Wasser gleich nach dem Öffnen der Armatur in Wunschtemperatur fließt.
Aber auch an den Oberflächen von Armaturen kann sich ein Risiko für unangenehme Verbrühungen ergeben. Speziell bei Anlagen mit hohen Speichertemperaturen wie thermischen Solaranlagen kann das der Fall sein. Hier helfen Armaturen und Thermostate mit innenliegender Wasserführung, die eine Barriere zwischen dem heißen Wasser innen und der Oberfläche außen bildet.
Waschtische: unterfahrbar und höhenverstellbar
Auch der Waschtisch sollte sowohl im Stehen als auch im Sitzen bequem erreichbar sein. Für Menschen, die dafür einen Stuhl benötigen, sollte entsprechender Beinfreiraum unter dem Waschtisch geachtet werden. Dafür bieten sich Unterputz- oder Flachaufputz-Siphons an. Für Menschen im Rollstuhl gelten zusätzliche Vorgaben.
Waschtische mit integrierten Haltemöglichkeiten bieten einen sichereren Halt und erleichtern das Heranziehen des Rollstuhls. Darüber hinaus können sie zum Aufhängen von Handtüchern oder als Halterung für Gehstöcke genutzt werden. Im Vorfeld sollte dafür beim Um- oder Neubau darauf geachtet werden, dass Wände für die gegebenenfalls nachträgliche Befestigung von Stütz- und Haltegriffen ausreichend stabil konstruiert sind.
Eine weitere Erleichterung bieten höhenverstellbare Waschtische, die, ebenso wie entsprechende WCs, von „normalen“ Modellen kaum noch zu unterscheiden sind. Das ist besonders praktisch, wenn mehrere Personen, unterschiedlicher Generationen oder Größen, mit und ohne Behinderungen, im Haushalt das Waschbecken benutzen.
WCs: Sonderausstattungen und Hilfe bei der Intimpflege
Sowohl als wandhängende wie als bodenstehende Variante bieten viele Sanitärhersteller mittlerweile WCs an, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer und Nutzerinnen abgestimmt sind. Das gilt auch für Menschen mit individuellen Beeinträchtigungen und Ansprüchen. So gibt es höhenverstellbare WCs oder auch WC-Sitze in XXL-Format. Manche WCs halten Belastungen bis zu 240 kg stand. Eine durchgehende Scharnierwelle und optionale Komfortfunktionen wie Quick Release (abnehmbarer WC-Deckel und -Brille) sowie Soft Closing (Absenkautomatik) erleichtern die Nutzung und Reinigung. Eingriffrillen am Rand des Deckels wiederum sorgen für ein besonders leichtes und hygienisches Anheben des Deckels. Spezielle Puffer verhindern, dass der WC-Sitz beim Übersetzen aus dem Rollstuhl seitlich verrutscht. Für eine kontrastreiche Gestaltung werden auch farbige Deckel und Sitze angeboten, die seheingeschränkten Menschen oder auch Demenzkranken Orientierung bieten.
Für Bedienelemente und Stützen gilt, dass die WC-Spülung sich mit der Hand oder dem Arm bedienen lassen und sich im Greifbereich der sitzenden Person befinden muss, ohne dass sie dazu ihre Sitzposition verändern muss. Auch kann es für bewegungseingeschränkte Menschen bequemer sein, wenn die WC-Betätigung seitlich an der Wand positioniert wird und nicht wie gewohnt direkt am Spülkasten.
Schließlich sind auch Dusch-WCs sehr gut geeignet, in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen bei ihrer körperlichen Hygiene zu unterstützen. Der Intimbereich wird hier sorgfältig mit Wasser gereinigt. Viele dieser Modelle sind außerdem mit Warmluftfön und Geruchsabsaugung ausgestattet. So können Dusch-WCs Menschen mit Bewegungs- oder auch kognitiven Einschränkungen in die Lage versetzen, auf fremde Unterstützung beim Toilettengang oder bei der Intimpflege zu verzichten. Verfügt das Dusch-WC über eine Hilfsmittelnummer, kann mit einer entsprechenden ärztlichen Verordnung von der Krankenkasse eine Kostenübernahme beantragt werden. Gleiches gilt für WC-Aufsätze mit Wascheinrichtungen, die sich auf vorhandene WC-Becken montieren lassen. Voraussetzung bei beiden ist, dass eine selbstständige Reinigung des Intimbereiches nach der Toilettennutzung auf herkömmliche Weise nicht möglich ist.
Duschen: bodenebene Gestaltung ist für alle ein Gewinn
Bodengleiche Duschen oder (teil-)offene „Walk-in-Duschen“ sehen schön aus und erleichtern generell den Bad-Alltag. Inzwischen sind sie in den meisten Neuplanungen Standard. Begehbare Duschen können mithilfe eines Komplettsets mit bodenebenen Duschflächen mit befliesbaren Duschelementen oder mittels eines Gefälleestrichs mit Duschrinne realisiert werden. Mit sehr niedriger Aufbauhöhe ermöglichen flache Duschflächen einen schwellenlosen Übergang zum Badezimmerboden. Es gibt sie in verschiedenen Größen und Farben sowie mit rutschsicherer Beschichtung und flachem Ablauf. Für eine barrierefreie Planung nach DIN 18040-2 „R“ gilt es zu beachten, dass die Duschfläche mit einem Rollator betreten oder auch mit einem Rollstuhl befahren werden kann. Ebenfalls muss die Bewegungsfläche das gleiche Niveau haben wie der angrenzende Bodenbereich mit einer Absenkung von maximal 2 cm. Lassen sich Übergänge nicht vermeiden, dann sollten sie vorzugsweise geneigt sein.
Vielfältige weitere Informationen zum Thema Barrierefrei und Fördermöglichkeiten gibt es auf unserer Internetseite Aktion Barrierefreies Bad.
Am 3. Dezember ist Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
Der 1992 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen, der jedes Jahr auf den 3. Dezember fällt, macht auf die Belange der Menschen mit Behinderungen aufmerksam und möchte damit den Einsatz für ihre Würde und Rechte fördern. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen die uneingeschränkte Teilhabe an allen Gesellschaftsbereichen zu erleichtern.